Vollautomatische Bootsfahrt auf dem Möllenzugsee
Unbemanntes Solarboot voraus! Die Technische Hochschule Wildau testete im Dezember 2023 im Rahmen des Projekts CAPTN in Versuchen mit einem KI-gestützten, ferngesteuerten Solarboot die Möglichkeiten, ein Solarboot zukünftig als CO2-neutrale Personenfähre für Niederlehme zur Verbesserung des individuellen Personenverkehrs einzusetzen.
Elektrisch betriebene Flugtaxis oder fahrerloser eingesetzte Kleinbusse sind mittlerweile näher an der Realität als an der Fiktion. Sie könnten in Zukunft dazu beitragen, den motorisierten Individualverkehr in Großstädten zu reduzieren und dabei helfen, Staus und lange Fahrtzeiten zu verringern.
Nadelöhr Niederlehme – Königs Wusterhausen – Wildau
Auch kleinere, aber wachsende Städte und Gemeinden wie die Orte Wildau und Niederlehme im Landkreis Dahme-Spreewald leiden besonders im täglichen Berufsverkehr unter einem hohen Verkehrsaufkommen. Eine wenig mitgewachsene Infrastruktur führt dazu, dass der Verkehr bei Überlastung schnell zum Erliegen kommt. Dabei gibt es neben Straße und Schiene einen Verkehrsweg, der aktuell vor allem wegen hoher Betriebskosten häufig kaum betrachtet bleibt: der Wasserweg auf Binnengewässern.
Am Beispiel des hochfrequentierten Ortes Niederlehme mit Anschluss an die viel benutzte Autobahn 10 und die Städte Königs Wusterhausen und Wildau ist der motorisierte Individualverkehr ein Hauptgrund, der regelmäßig im Berufsverkehr zu vielen Staus in der Umgebung um Niederlehme führt – nicht nur für Pendler ein Ärgernis. Alternativen gibt es in Niederlehme kaum. Der Weg zum nächsten Bahnhof zur S-Bahn nach Wildau ist nur über die häufig überfüllten Straßen per Auto, Rad oder zu Fuß möglich. Niederlehme besitzt keinen eigenen Anschluss und liegt auch nicht an der S-Bahn-Strecke. Die Orte sind durch Wasserwege und Seen getrennt.
Unbemannte Personenfähre als Chance
Der Einsatz einer Fährverbindung könnte die Fahrtzeit aus Niederlehme zum S-Bahnhof Wildau von derzeit bis zu 35 Minuten (abhängig von Tageszeit und situativen zusätzlichen Ereignissen wie Staus auf der A10) auf unter 10 Minuten verkürzen. Hierfür wäre allerdings eine kostengünstig betriebene Personenfähre nötig. Und genau an diesem Punkt setzt das Forschungsprojekt „CAPTN – CO2-Neutrale Autonome Fähre für den Personentransport in Niederlehme“ der Technischen Hochschule Wildau (TH Wildau) an. Das Vorhaben zielt darauf ab, das herkömmliche Konzept der bemannten Personenfähre mit Verbrennungsmotor zu überdenken und stattdessen eine fahrerlose und zusätzlich emissionsarme Lösung zu entwickeln, die Übertragungspotenzial auf andere Regionen mit ähnlichen Problemen hat.
Die TH Wildau arbeitet und tüftelt mit Studierenden, Wissenschaftler/-innen und Unternehmen seit vielen Jahren an Solarbooten und führt unter anderem regelmäßig internationale Regatten auf den Wasserwegen vor Wildau durch. Diese Erfahrungen haben sich Studierende um Alexander Köthe, Professor für die Regelung komplexer Systeme und Sprecher der Studiengänge Automatisierungstechnik und Automatisierte Energiesysteme an der TH Wildau, zunutze gemacht. Um die Machbarkeit des Einsatzes einer autonomen Fähre zu bewerten, wurde in einer Vorstudie zum Vorhaben CAPTN das Solarboot SuncaTcHer der TH Wildau in Zusammenarbeit mit der AlphaLink Engineering GmbH so umgebaut, dass sowohl die Lenkung als auch der Schubhebel vollautomatisch gesteuert werden können. Innerhalb von vier Monaten haben die Studierenden des Studiengangs Automatisierungstechnik, Oliver Guske und Ivan Martinen, in ihren Bachelorarbeiten zusammen mit einem Team von AlphaLink und KWDevelopment sowohl die theoretischen als auch die praktischen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erfolgreich abgeschlossen.
Testfahrt auf dem Möllenzugsee und Ausblick
Am 14. Dezember 2023 konnte der SuncaTcHer erstmals vollständig autonom mehrere vordefinierte Wegpunkte mit verschiedenen Geschwindigkeiten auf dem Möllenzugsee zwischen Wildau und Niederlehme abfahren. Damit wurde aus Sicht der Akteure ein wesentlicher Grundstein für die erfolgreiche Realisierung einer Personenfähre zwischen Wildau und Niederlehme gelegt. Auf einem Video sind die Versuchsfahrten zusammengefasst worden und geben einen kleinen Eindruck, wie das in Zukunft aussehen könnte.
Mit dem Erreichen dieses Meilensteins sind die Vorbereitungen für das Forschungsprojekt CAPTN nun abgeschlossen. Im Rahmen des Projekts sollen nun weitere Manöver wie das An- und Ablegen sowie das Erkennen und Umfahren von Objekten und Hindernissen im Wasser automatisiert werden. Zudem wird ein Energiesystem entwickelt, das vollständig dezentral agiert und als Energiequelle Wind- und Solarenergie sowie eine Brennstoffzelle zur Energieerzeugung für die Fähre und deren Infrastruktur nutzt. Ferner ist geplant, ein Betriebs- und Sicherheitskonzept in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden zu entwickeln, um eine Genehmigung für den autonomen Betrieb auf Bundeswasserstraßen zu erhalten.
Prof. Alexander Köthe, TH Wildau: „Die erfolgreichen autonomen Umrundungen auf dem Möllenzugsee mit dem sonst bemannten Solarboot SuncaTcHer bringen unser Konzept einer autonomen Personenfähre der Realität nun einen Schritt näher. Wir hoffen nun, in naher Zukunft mit dem Thema zusammen mit unseren Studierenden und Partnerunternehmen voranzukommen und für die Region langfristig eine zusätzliche Alternative zu schaffen.“
Weiterführende Informationen
► Video zu Versuchsfahrten aus dem Dezember: https://youtu.be/RPdgC8ZsFpI
► Website zur Solarbootregatta Wildau: www.th-wildau.de/solarbootregatta
Veröffentlichungsdatum:
- 23. Januar 2024
Quelle:
Technische Hochschule Wildau
Bildquelle:
Technische Hochschule Wildau